Mit diesem Blogartikel beginnen wir eine Serie über die legendären Berge und Nationalparks der Slowakei. Den Auftakt zu dieser Serie bildet der wohl bekannteste und wichtigste Berg der slowakischen Gebirge, der Nationalberg der Slowakei – der Krivan. Da der Krivan für die Slowaken etwas ganz besonderes ist, wird dieser natürlich auch von einer Slowakin vorgestellt – unserer Zuzana.

Krivan – das Krummhorn

Wenn ich auf der Autobahn von der slowakischen Hauptstadt Bratislava nach Osten fahre, freue ich mich immer auf die Fahrt entlang der Hohen Tatra. Nach einer ca. 3 stündigen Fahrt erblicke ich dann in der Ferne den Krivan. Und obwohl ich ihn schon hunderte Male gesehen habe und auch oft erwandert habe, bin ich von seiner Schönheit immer wieder fasziniert. Dieser majestätische, markante Berg befindet sich am westlichen Anfang der Hohen Tatra und ist das Wahrzeichen der Liptauer Region. Einer Legende nach hatte Gott am siebten Tag noch einen Sack voll von Naturschönheiten übrig und hat ein Engelchen geschickt, um über die Welt zu fliegen und die Naturschönheiten zu verstreuen. Dem Engel machte seine Arbeit viel Spaß und fröhlich hat er die Naturschönheiten aus dem Sack geschüttet, bis er zu den Bergen der Hohen Tatra kam. Er hat ihre Höhe unterschätzt und stieß gegen einen der Gipfel. Bei diesem Unfall wurde der Berg verbogen und erhielt den Namen Krivan, der schiefe Berg (krivý bedeutet schief). Die ansässigen Deutschen aus der nahegelegenen Zipser Region nannten ihn Krummhorn.

Krivan aus der Niederen Tatra

Krivan – einst der höchste Berg der Hohen Tatra

Lange wurde der Krivan für den höchsten Berg der Hohen Tatra gehalten. Erst nach den Messungen von Ludwig Greiner im Jahre 1838 wurde festgestellt, dass der höchste Berg der Hohen Tatra der Gerlach (2 654,4 m) ist. Heute wissen wir, dass der Krivan mit seinen 2 494,7 m, der 10. höchste Berg der Hohen Tatra und damit auch der 10. höchste Berg der Slowakei ist. Die erste schriftliche Erwähnung über die Besteigung des Krivan stammt aus dem Jahre 1772. Der evangelische Pfarrer Andreas Jonas Czirbesz war aber sicher nicht der erste Mensch auf seinem Gipfel. Schon vor mehr als 500 Jahren begann man unter dem Krivan nach Gold zu suchen und später baute man auch Antimonit ab. Die Bergleute von damals gruben einen Schacht nur 50 m unterhalb des Gipfels. Und so kann man sicher sein, dass schon zu dieser Zeit einige, glückliche Bergleute den Sonnenaufgang vom Gipfel bewundert haben. Leider waren ihre Bemühungen um reiche Erzfunde nicht sehr erfolgreich, denn schon am Ende des 18. Jahrhunderts wurden alle Gruben am Krivan stillgelegt.

Krivan – der Nationalberg der Slowaken 

Im 19. Jahrhundert wurde der Krivan ein starkes Symbol für die Freiheit und Eigenständigkeit der Slowaken. In dieser Zeit der Nationalbewegungen der Völker, innerhalb des großen Habsburger-Reiches, haben mehrere wichtige Kämpfer der Slowaken den Krivan bestiegen. Zur Erinnerung an die Ereignisse der Nationalbewegung wird jedes Jahr im August eine Besteigung des Krivan organisiert. An diesem Tag besteigen mindestens 500 Wanderer singend den Gipfel des Krivan. Vor der Euroeinführung in der Slowakei hat die Slowakische Nationalbank 10 Entwürfe für die slowakischen Euromünzen vorgestellt, und nach der öffentlichen Abstimmung wurden das slowakische Doppelkreuz, die Burg von Bratislava und der Krivan auf den slowakischen Münzen verewigt, was auch auf die Bedeutung des Berges für die Slowaken hinweist.

Krivan – ein beliebtes Wanderziel

Der beliebteste Ausgangspunkt für die Besteigung des Krivan ist der kleine Parkplatz bei Tri studnicky (Drei Brunnen), auf dem Weg zwischen Podbanske und Strbske Pleso. Bis 1998 stand dort eine Berghütte, die niedergebrannt ist und nicht wiederaufgebaut wurde. Zur Besteigung des Krivan folgt man vom Parkplatz aus dem grünmarkierten Wanderweg, welcher sich über lange Serpentinen durch jungen Mischwald allmählich aufwärts windet. Dieser junge, gesunde Mischwald entstand nach dem großen Windbruch im Jahre 2004. Ab einer Höhe von ca. 1600 m ü. M. wandern wir durch ausgedehnte Latschenkiefernbestände, welche sich immer wieder öffnen und grandiose Panoramablicke freigeben. Der Weg wird nun zunehmend steiniger und wir queren den Südhang des Krivan und gelangen zu einer Wanderwegekreuzung. Hier treffen wir auf den blaumarkierten Wanderweg zum Gipfel. Bis zum Gipfel dauert es von der Kreuzung noch ca. eine halbe Stunde und es erwartet uns das steilste Wegstück der gesamten Tour. Hier empfiehlt es sich die Wanderstöcke im Rucksack zu verstauen, da kleine, leichte Klettereinlagen zu überwinden sind. Ein trainierter Bergwanderer schafft die Besteigung des Krivan in ca. 2,5 Stunde.

Auf dem Gipfel werden wir mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt. In östlicher Richtung breiten sich vor uns die imposanten Berge der Hohen Tatra aus, auf der westlichen Seite erstreckt sich die Bergwelt der Westtatra und Rohace, im Süden sehen wir den Tatrakessel mit ausgedehnten Feldern, Weiden und Wiesen und großen Liptauer Dörfern, dahinten können wir die lange Bergkette der Niederen Tatra bewundern und in unmittelbarer Nähe der umliegenden Bergtälern leuchten die blauen Bergseen der Hohen Tatra.

Nachdem wir den unvergesslichen Ausblick genossen haben, machen wir uns auf den Rückweg. Nach dem ersten Abstieg kommen wir wieder zur Kreuzung des blauen und grünen Wanderweges. Wir können jetzt dem blauen Wanderweg weiter folgen. Dieser führt über den östlichen Grat zum Bergsee Jamske Pleso, wo er sich mit dem rot markierten Weitwanderweg der Tatra Magistrale trifft. Die Wanderung beenden wir mit einem leichten Abstieg zurück zum Parkplatz bei den drei Brunnen. Für die Krivan Besteigung sollte man den ganzen Tag einplanen, denn die reine Gehzeit beträgt mehr als 6 Stunden und dazu kommen sicher noch viele Pausen zum Fotografieren und Genießen.

Eine Alternativtour bietet sich auch vom bekanntesten Bergort der Hohen Tatra, Strbske Pleso, an. Bei dieser Variante folgt man von Strbske Pleso der Tatra-Magistrale zum Bergsee Jamske Pleso und steigt auf dem blaumarkierten Wanderweg bis zum Gipfel auf. Der Rückweg ist der Gleiche. Für diese Variante braucht man etwa genauso viel Zeit wie für die Wanderung von den drei Brunnen.

Und am Ende noch ein Hinweis für die Planung der Krivanbesteigung. Beide Wanderwege, die zum Krivan führen sind, wie viele andere Wanderwege in höheren Teilen der Hohen Tatra, vom 1. November bis 15. Juni aus Sicherheits- und Naturschutzgründen geschlossen. Und obwohl für uns Slowaken der Krivan zum Nationalsymbol geworden ist, können wir ihn den größten Teil des Jahres nur aus dem Tal bewundern und müssen die Herrschaft über den Berg den wahren Königen der slowakischen Berge überlassen – den Bären und Gemsen.